Jörg Klebe

12. Mai 2017

Intelligentes Forderungsmanagement: Völlig neu mit dem Kunden sprechen

eCommerce wächst weiterhin ungebrochen. Und mit dem eCommerce eng verknüpfte Branchen wie Logistik und Zahlungsverkehr, schließlich sind sie Branchen, die den Online-Handel erst möglich machen. Und solange der eCommerce weiterwächst, wachsen diese Branchen mit. Aber nicht nur diese, sondern auch nachgelagerte Industriezweige profitieren ganz erheblich von der Kauflust der Deutschen im Netz. Ein gutes Beispiel ist die Forderungsmanagement-Branche. Wie vor kurzem veröffentlicht und auch hier beim CallCenterProfi zu lesen, werden derzeit rund 60 Mrd. Euro von Inkasso- und ähnlichen Unternehmen verwaltet, ein Plus von 10 Prozent im Vergleich zum Stand vor vier Jahren. Unternehmen aus dem eCommerce sind mittlerweile wichtige Kunden der Inkasso-Unternehmen. Rosige Aussichten also, oder? Und genau darin liegt ein großes Risiko. Denn das Wachstum kommt bisher nur in eher geringem Maße aus der eigenen Produktentwicklung oder dem Einsatz neuer Services, also der eigenen Innovationskraft einer Branche, sondern aus einem externen Wachstumsimpuls. Und es wäre nicht die erste Branche, bei der diese Kombination aus guten Zahlen und einem daraus resultierenden sehr geringen Innovationsdruck zu einem bösen Erwachen führt. Vor allem, wenn man die Geschwindigkeit sieht, mit der sich der Hauptkunde eCommerce weiterentwickelt und sich immer stärker auf den Kundenwunsch zentriert. Also sehr dunkle Aussichten? Die Antwort ist nein. Denn wenn auch mit einigem Abstand, so verstehen einige Unternehmen der Branche mittlerweile, dass sie sich ebenso bewegen müssen. Dass die Prozesse, wie sie Ihr Geschäft betreiben, die Art wie und die Kanäle, wo sie mit ihren Kunden sprechen, zumindest gründlich auf den Prüfstand gehören.

Traditionelle Inkasso-Prozesse hinken im Innovationsgrad oft hinterher

Eine Vielzahl der Inkasso-Unternehmen spricht ihre Kunden im Schwerpunkt auf dem Postweg an, seltener über digitale Kanäle. Wenn der Fall dann eine bestimmte Eskalationsstufe erreicht hat, kommt der Telefonanruf dann noch hinzu. Einige Unternehmen integrieren mittlerweile digitale Kommunikationspunkte oder Schuldnerportale, aber lange nicht alle. Häufig wird das Mahnwesen auch mit interner Kapazität betrieben und erst die eskalierten Fälle werden an einen Inkasso-Dienstleister abgegeben. Damit verbunden sind hohe interne Aufwände und zufriedenstellende Ergebnisse sind nicht garantiert. Der Kunde ist zum Schuldner geworden, um den sich in der Folge extern gekümmert wird.

Die Frage dabei ist, ob diese wenigen Schritte wirklich ausreichen, um ans Ziel – die Zahlung – zu kommen und dabei die vermeintlich “verlässlichen” Kunden von den vermeintlich “nicht zuverlässigen” Kunden zu trennen. Die Antwort ist einfach: Nein. Dabei könnten viele Möglichkeiten zur Innovation von einem der Hauptkunden der Inkasso-Unternehmen bezogen werden: Dem eCommerce. Etwa in Bezug auf die Kundenorientierung, die Serviceleistungen und das Thema der Digitalisierung. Denn diese Punkte sind wichtige Erfolgsfaktoren vieler großer Online-Shops und sie können wertvolle Inspiration liefern, um das Forderungsmanagement zu modernisieren

Starke Innovationskraft und eine neue Geisteshaltung ist notwendig

Es gibt zahlreiche Anknüpfungspunkte, um solche Innovationen in den Forderungsmanagement-Prozess zu bringen. Beispiele sind 1. Digitalisierung 2. Künstliche Intelligenz und Automatisierung und 3. die Einstellung gegenüber dem Kunden. Digitalisierung bedeutet, dass der gesamte Prozess von der Ansprache bis hin zur Bezahlung nicht nur analog durchgeführt wird, sondern dem Kunden eine “User Experience” angeboten wird, die er eben auch vom eCommerce kennt. Sprich, er bekommt eine E-Mail, SMS oder wird über Messenger kontaktiert. Und das proaktiv, um eventuelle Probleme und offene Forderungen auch im Sinne des Kunden bereits früh zu erkennen sowie zu bearbeiten und unangenehme Überraschungen für ihn zu vermeiden. Denn für eine offene Forderungen kann es einige Gründe geben, und nicht immer sind es Unwille oder fehlende Liquidität des Käufers. Er bekommt in jedem digitalen Kanal auch einen Link zu einer Kundenseite mitgeliefert, auf der er bezahlen oder um Rückruf bitten kann und Feedback gibt. Das Ganze wird aber auch mobil optimiert ausgeliefert. Solche Lösungen helfen, die “Conversion Rate”, im Inkasso auch “Collection Rate” genannt, zu erhöhen und auch die Belastung des Servicecenters zu verringern. Das zweite Beispiel, die künstliche Intelligenz – besser selbst lernende Algorithmen genannt – können in vieler Hinsicht helfen. Zum einen können sie ein smartes und automatisiertes Kanalmanagement bereitstellen. Dies heißt, dass Algorithmen entscheiden, wann, über welchen Kanal und mit welcher Tonalität ein Kunde angesprochen werden sollte. Künstliche Intelligenz bringt also Flexibilität in den Ansprache-Prozess, der eine individuell optimierte Kundenansprache ermöglicht. So kennt das System den optimalen Zeitpunkt für den Erstkontakt. Dieser erste Kontakt erfolgt dann beispielsweise über einen Messenger-Dienst. Den Kanal für die weitere Kommunikation bestimmt der Kunde – so entsteht bei diesem nicht das Gefühl, dass ihm ein Kanal, welcher ihm vielleicht nicht zusagt, aufgezwungen wird. Auch die bereits erwähnte Tonalität fällt natürlich anders aus, wenn der Kunde proaktiv und erinnernd kontaktiert wird als im Extremfall. Auf Basis von Erfahrungen wird der nächste beste Schritt identifiziert. Und schließlich erkennen die Algorithmen, welche Veränderungen im System zu welchen Resultaten führen und verbessern sie kontinuierlich selbstständig. Wenn zum Beispiel eine bestimmte Kundengruppe nicht auf Briefe, jedoch auf E-Mails reagiert, prägt sich das System diese Information ein.

Außerdem kann künstliche Intelligenz auch Servicecenter unterstützen, indem sie vorschlagen, wann ein Kunde angerufen werden sollte und welche Ansprache-Strategie zu wählen ist. Denn sie kennt die bestimmten Kundengruppen und versteht, welche von ihnen einen elektronischen Kommunikationsweg bevorzugen und welche dann doch eher den postalischen Weg favorisieren. Zudem kann das System auch selbstständig entscheiden, welche Zahlungsoptionen und Zahlpläne dem Kunden angeboten werden. Der dritte Anknüpfungspunkt, bei dem das Forderungsmanagement vom eCommerce lernen kann, ist die Geisteshaltung dem Kunden gegenüber. Forderungsmanagement hat nämlich drei Hauptziele: Es sollte günstig sein, es sollte immer zu einer Zahlung des Kunden führen – Stichwort Inkassovermeidung – und es muss der Anspruch sein, den Kunden als Kunden zu behalten. Modernes Forderungsmanagement beginnt jedoch lange vor dem eigentlichen externen Inkasso. Nämlich bereits bei einem intelligenten Mahnwesen. Und übrigens auch – und das ist noch wichtiger – damit, dass man nicht mehr von einem Schuldner, sondern von einem Kunden spricht. Sowohl intern als auch in der Kommunikation mit ihm. Das klingt banal, hat aber erstaunliche Auswirkungen. Denn dieser dialogorientierte Ansatz führt dazu, dass sich beide Seiten auf Augenhöhe begegnen und gemeinsam an einer Lösung arbeiten. So ändern sich auf der einen Seite die Geisteshaltung der Mitarbeiter gegenüber dem Kunden, auf der anderen Seite fühlt sich der Kunde positiver wahrgenommen und verstanden.

Das Ergebnis dieser Digitalisierung und smarten Automatisierung mit künstlicher Intelligenz ist ein starkes Mittel, um das Forderungsmanagement zu verbessern und welches trotzdem die Kundenzufriedenheit sichert. Und wer bereits den Mahnprozess von Anfang an effektiv und kundenorientiert gestaltet, wird sich nicht mit vielen Inkasso-Fällen beschäftigen müssen.

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